Ausgleichsanspruch nach Flugverspätung – Abflug oder Ankunft?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Verbraucherrechte bei Flugverspätungen in seinem heutigen Urteil (Az.: C-11/11) nochmals gestärkt. Passagiere haben Anspruch auf Schadensersatz, wenn ihr Flug Verspätung hat. Das ist in einer entsprechenden Verordnung (EG-VO 261/2004) geregelt. Der Anspruch beträgt pro Person (je nach Flugentfernung und Dauer der Verspätung) 250,- bis 600,- Euro.

Nach dem Wortlaut der Verordnung ist die Abflugverspätung entscheidend. Was aber, wenn das Flugzeug etwas verspätet startet und dadurch ein Anschlussflug nicht erreicht werden kann – so dass die Passagiere wegen einer eher geringen anfänglichen Verspätung im Ergebnis erst einen halben Tag später am Zielort ankommen?

Genau diesen Fall mussten die EU-Richter nun auf Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH) klären. Gebucht war ein Flug von Bremen über Paris und São Paulo nach Asunción in Paraguay. Der Abflug in Bremen verzögerte sich um zweieinhalb Stunden, daher verpassten die Kläger ihren Anschlussflug in Paris und landeten letztlich mit einer Verspätung von elf Stunden in Paraguay.

Die betroffene Airline (Air France) argumentierte, die Abflugverspätung habe ja mit 2 ½ Stunden unterhalb der entscheidenden Drei-Stunden-Marke gelegen, sie müsse also keine Entschädigung zahlen. Das sah der EuGH anders: Die Passagiere hätten einen „irreversiblen Zeitverlust“ erlitten – entscheidend sei für sie schließlich die Verspätung am Zielort.

Mit dieser Entscheidung betont der EuGH noch einmal seine verbraucherschützende Rechtsprechung bei Flugverspätungen. Bereits mehrmals hat der Gerichtshof herausgestellt, dass es letztlich auf die Verspätung am Zielort ankommt. Vor diesem Hintergrund hat der EuGH schon mehrmals die EU-Passagierrechte zugunsten der Verbraucher ausgelegt. Diese Rechtsprechung ist mit dem heutigen Urteil wiederum gefestigt worden.

Über den Autor

Rechtsanwalt Boris Narewski ist seit 2007 mit eigener Kanzlei in Berlin vertreten. Sein klarer Schwerpunkt ist das Reiserecht. Zu seinen Mandanten zählen sowohl Privat- und Geschäftsreisende als auch Reiseveranstalter. Er ist u.a. Mitglied im DAV (Deutscher Anwaltverein), im Berliner Anwaltverein sowie in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht e.V. (DGfR).