EU will Passagierrechte bei Flugverspätungen und Flugausfällen stärken

Auf dem Papier haben die Passagiere schon seit langem Anspruch auf Entschädigung bei Flugausfall, Flugverspätung und Nichtbeförderung. Doch in der Praxis müssen die Passagiere meist einen Anwalt einschalten und im Extremfall ihre Rechte sogar vor Gericht einklagen – „freiwillig“ zahlen die Airlines kaum.

Dieser Zustand ist auch EU-Verkehrskommissar Siim Kallas aufgefallen. Die EU-Kommission hat nun einen Gesetzentwurf vorgestellt, mit dem die Passagierrechte klarer formuliert werden sollen, um sie für die Passagiere leichter durchsetzbar zu machen.

So berufen sich bisher die Fluggesellschaften immer wieder darauf, dass „außergewöhnliche Umstände“ vorgelegen hätten und sie deshalb nicht zur Ausgleichszahlung verpflichtet seien. Die Rechtsprechung fasst den Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ zwar sehr eng, so dass dieses Argument der Airlines vor Gericht in den meisten Fällen nicht greift – aber viele Verbraucher lassen sich durch die Behauptung der Fluggesellschaften bereits im Vorfeld abschrecken und wagen erst gar nicht den Schritt zum Anwalt. Künftig soll ein klarer Katalog festlegen, wann die Airline entschuldigt ist und wann nicht. So werden die Fluggesellschaften bei Streiks des Sicherheitspersonals oder wetterbedingten Ausfällen nicht zahlen müssen, weil sie hierauf keinen Einfluss haben. Streiken aber ihre eigenen Piloten oder das Kabinenpersonal, müssen sie zahlen.

Auch das leidige Problem des verpassten Anschlussfluges soll klarer geregelt werden: Immer wieder kommt es zu einer Art Domino-Effekt, wenn der erste Flug mit geringer Verspätung startet und dadurch weitere Flüge verpasst werden. So kann aus einer kleinen Verspätung am Startflughafen eine Verspätung von mehreren Tagen am Endziel werden. Erst kürzlich hat der EuGH in einem solchen Fall den Passagieren Ausgleichszahlungen zugesprochen. Das soll nun laut Gesetzentwurf in geltendes Recht gegossen werden.

Bislang werden die Passagiere auch oft im Unklaren gelassen, warum sich der Flug verspätet oder ganz ausfällt. Nach dem Willen der Kommission sollen die Fluggesellschaften demnächst verpflichtet werden, den Grund für die Verspätung den Fluggästen mitzuteilen.

Um die Rechte besser durchsetzen zu können, sollen die Passagiere direkt am Flughafen ein Beschwerdeformular ausfüllen können, das die Fluggesellschaft als rechtskräftige Beschwerde akzeptieren muss.

In Zukunft soll ein Reisender auch dann problemlos seinen Rückflug antreten können, wenn er den Hinflug verfallen ließ.

Aber nicht alles wird verbraucherfreundlicher im Gesetzesentwurf: So sollen die Entschädigungszahlungen demnächst erst nach deutlich längeren Verspätungen gezahlt werden. Besteht derzeit bei einem Flug bis 1.500 Kilometern bereits nach 2 Stunden ein Entschädigungsanspruch, soll dies demnächst erst nach 5 Stunden gelten. Bei Flügen von 1.500 bis 3.500 Kilometern erst ab einer Verspätung von 9 Stunden (bisher 3 Stunden), bei Flügen über 3.500 Kilometern sogar erst ab 12 Stunden (bisher 4 Stunden). Hier werden die Passagierrechte also deutlich eingeschränkt. Die Kommission begründet diese Pläne damit, dass die bisherigen Zeitfenster den Fluggesellschaften keine Chance zur Problemlösung gäben – so reiche die Zeit nicht, um zum Beispiel eine Ersatzmaschine anzufordern.

Ob der Entwurf in dieser Form geltendes Recht wird, steht noch in den Sternen. Das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten müssen den Plänen noch zustimmen.

Über den Autor

Rechtsanwalt Boris Narewski ist seit 2007 mit eigener Kanzlei in Berlin vertreten. Sein klarer Schwerpunkt ist das Reiserecht. Zu seinen Mandanten zählen sowohl Privat- und Geschäftsreisende als auch Reiseveranstalter. Er ist u.a. Mitglied im DAV (Deutscher Anwaltverein), im Berliner Anwaltverein sowie in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht e.V. (DGfR).