BGH: Keine Ausgleichszahlugn nach der Fluggastrechteverordnung bei Pilotenstreik

Kann auch der Streik des eigenen Personals einer Airline einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne der Fluggastrechteverordnung (EU-VO 261/2004) darstellen, so dass die Fluggesellschaft keine Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Verordnung zahlen muss? Mit dieser Frage musste sich der BGH nun auseinandersetzen (Urteil vom 21.08.2012, Az.: X ZR 138/11). Im konkreten Fall hatte die „Vereinigung Cockpit“ zum Streik der Lufthansa-Piloten aufgerufen. Dementsprechend musste die Lufthansa zahlreiche Flüge annullieren.

Fällt ein Flug aus, steht den betroffenen Passagieren grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu (bis zu 600,- Euro pro Person). Die Fluggesellschaft muss aber dann nicht zahlen, wenn der Flug wegen eines außergewöhnlichen Umstands, auf den die Fluggesellschaft keinen Einfluss hat, ausfällt und sie dies nicht vermeiden konnte.

Der Bundesgerichtshof sah das im vorliegenden Fall als gegeben an. Insbesondere sei nicht entscheidend, ob ein Flugunternehmen selbst bestreikt werde oder der Flugbetrieb durch den Streik Dritter (etwa der Fluglotsen) verhindert werde. Auch der Streik der Piloten sei „von außen“, nämlich durch die Gewerkschaft, verursacht und daher nicht von der Lufthansa zu beeinflussen gewesen. Insbesondere habe die Lufthansa auch alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten. Schöpfe ein Flugunternehmen alle gebotenen Maßnahmen aus, um die Beeinträchtigung der Passagiere durch den Streik so gering wie möglich zu halten und unternehme es alle Anstrengungen, um möglichst schnell zum Normalbetrieb zurückzukehren, liege ein unabwendbares Ereignis nach Art. 5 der Fluggastrechteverordnung vor.  In diesem Fall ist die Fluggesellschaft von der Ausgleichszahlung befreit.

Das Urteil darf aber nicht als „Freibrief“ für die Fluggesellschaften im Falle von Streiks gesehen werden: Eine Befreiung von der Ausgleichszahlung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein entsprechender außergewöhnlicher Umstand vorliegt und das Unternehmen alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen trifft, um Beeinträchtigungen zu vermeiden. Dass die Lufthansa auch im vorliegenden Fall von Ausgleichszahlungen nur befreit wurde, weil sie gleichzeitig einen umfangreichen Sonderflugplan aufgestellt hat, um die Folgen des Streiks aufzufangen, hat der BGH noch einmal klar herausgestellt.

Über den Autor

Rechtsanwalt Boris Narewski ist seit 2007 mit eigener Kanzlei in Berlin vertreten. Sein klarer Schwerpunkt ist das Reiserecht. Zu seinen Mandanten zählen sowohl Privat- und Geschäftsreisende als auch Reiseveranstalter. Er ist u.a. Mitglied im DAV (Deutscher Anwaltverein), im Berliner Anwaltverein sowie in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht e.V. (DGfR).