Germanwings: Beinahe-Absturz wegen giftiger Gase im Cockpit?

Hat Germanwings eine Beinahe-Katastrophe versucht zu vertuschen? Offenbar waren die Piloten eines Airbus A 319 am 19.12.2010 im Landeanflug auf Köln giftigen Gasen ausgesetzt, die beide Piloten fast außer Gefecht gesetzt hätten. Sie setzten einen Notruf ab, der Kapitän schaffte es mit Mühe, den mit 149 Menschen besetzten Airbus noch in Köln zu landen. Beide Piloten kamen sofort nach der Landung in medizinische Behandlung.

Gegenüber der für solche Zwischenfälle zuständigen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) stellte Germanwings den Vorfall jedoch als so harmlos dar, dass die BFU gar keine Untersuchung einleitete. Erst ein Jahr später erhielt die BFU neue Informationen und nahm die Untersuchung auf.

Nach dem jetzt von der BFU veröffentlichten Zwischenbericht war die Cockpitluft mit giftigen Gasen verseucht, die bei beiden Piloten beinahe zur Bewusstlosigkeit geführt hätten.

Wie können giftige Gase in das Cockpit eines Verkehrsflugzeuges kommen? Was vielen Passagieren nicht bewusst ist: Die „Frischluft“ für Kabine und Cockpit wird in der Regel von den Triebwerken abgezapft (im Fachjargon „Zapfluft“ genannt). Gegen diese Art der „Frischluftversorgung“ wird immer wieder Kritik laut, da grundsätzlich die Gefahr besteht, dass auf diese Weise – etwa durch Öldämpfe – gesundheitsschädliche Stoffe in die Kabinenluft geraten.

Im Fall von Germanwings musste die Maschine vor dem Start mit Enteisungsflüssigkeit besprüht werden. Reste der entsprechenden Glykol-Lösung wurden offenbar durch das linke Triebwerk, das für die Versorgung des Cockpits zuständig ist, in das Cockpit befördert. Dass die Besatzung „keine Vergiftungserscheinungen“ aufgewiesen hätte, wie von Germanwings behauptet, steht in klarem Widerspruch zu den Schilderungen der Piloten und zu der nach der Landung durchgeführten ärztlichen Untersuchung: Die Piloten sagten, sie hätten einen seltsamen, stark ausgeprägten und unangenehmen Geruch verspürt, ihnen sei unter anderem „speiübel“ geworden, Arme und Beine hätten sich taub angefühlt, das Sichtfeld hätte sich eingeschränkt und ein starkes Schwindelgefühl habe sie ergriffen. Beide hatten Angst, das Bewusstsein zu verlieren und die Maschine nicht mehr landen zu können. Diese Angst war wohl nicht ganz unbegründet: Das Blut des Copiloten wies eine Sauerstoffsättigung von weniger als 80%, das des Kapitäns von etwa 70% auf. Bei gesunden Menschen liegt der Wert nahe 100% – ein Wert von 70% ist nahe an der Ohnmachtsgrenze.

Besonders delikat: Exakt bei demselben Flugzeug tauchten im Mai 2008 schon einmal Probleme mit der Frischluftversorgung auf. Damals musste ein Flug von Dublin nach Köln abgebrochen werden, nachdem dem Piloten übel wurde und er Empfindungsstörungen bemerkte. Ein weiteres Crewmitglied verlor das Bewusstsein, auffallend viele Passagiere schliefen nach dem Start sehr schnell ein – so das Ergebnis der irischen Untersuchungsbehörde. Germanwings will keinen Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen erkennen.

 

Über den Autor

Rechtsanwalt Boris Narewski ist seit 2007 mit eigener Kanzlei in Berlin vertreten. Sein klarer Schwerpunkt ist das Reiserecht. Zu seinen Mandanten zählen sowohl Privat- und Geschäftsreisende als auch Reiseveranstalter. Er ist u.a. Mitglied im DAV (Deutscher Anwaltverein), im Berliner Anwaltverein sowie in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht e.V. (DGfR).