Geplantes Notrufsystem eCall: Zwischen Sicherheit und Kommerz

Ab 2015 sollen laut EU-Kommission alle Neuwagen mit einem neuen Notrufsystem „eCall“ (Emergency Call) ausgerüstet werden. Das Prinzip: Wird der Airbag ausgelöst, geht das System davon aus, dass ein schwerer Unfall geschehen ist und wählt automatisch die Notrufnummer 112. Es übermittelt gleichzeitig Daten über den Unfallort, so dass die Rettungskräfte sich sofort auf den Weg machen können. Außerdem wird eine Telefonverbindung hergestellt, damit sich die Insassen mit der Notrufzentrale verständigen können. Durch das System würde sich die Zeit zwischen Crash und Eintreffen der Rettungskräfte halbieren lassen, so die Kommission. Das wäre in der Tat ein großer Sicherheitsgewinn und könnte europaweit die Zahl der Verkehrstoten um 1.200 verringern.

Ein solches System weckt aber auch Begehrlichkeiten: Autohersteller, Versicherer und Automobilclubs haben großes Interesse daran, möglichst schnell von einem Unfall zu erfahren, um ihre Dienste anbieten zu können bzw. die Betroffenen in ihre Vertragswerkstätten zu lotsen. So stellen die bereits existierenden Notrufsysteme von BMW, Mercedes, Peugeot und Citroën zunächst einen Kontakt zur hauseigenen Notrufzentrale des Herstellers her, der dann die Kunden in seine Werkstätten schleppen kann.

Für Versicherer ist der „Erstkontakt“ nach dem Unfall besonders interessant, weil sie die Betroffenen dann in Werkstätten lotsen können, die mit den Versicherungen zusammenarbeiten. Das Recht des Unfallopfers, sein Auto zunächst von einem unabhängigen Gutachter untersuchen und dann in einer unabhängigen Markenwerkstatt  reparieren zu lassen, wird dadurch eingeschränkt: Das Recht der freien Werkstattwahl gilt nach der BGH-Rechtsprechung nur, solange der Versicherer keine eigene, vermeintlich gleichwertige, Werkstattempfehlung ausgesprochen hat. Mit anderen Worten: Weiß die Versicherung von dem Unfall und hat eine ihrer Vertragswerkstätten bereits empfohlen, kann der Betroffene nicht mehr einfach in eine Werkstatt seiner Wahl fahren.

Die kommerziellen Interessen hinter dem geplanten Notrufsystem werden unter anderem vom Autoclub Europa (ACE) und vom Deutschen Anwaltverein (DAV) scharf kritisiert. Um sich vor den Methoden der Versicherungen zu schützen, rät die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV: Speichern Sie nur eine Nummer Ihres Vertrauens im eCall-System! Legen Sie sich auf eine Werkstatt fest, bevor Sie sich mit der Versicherung in Verbindung setzen und nehmen Sie nach einem Unfall in jedem Fall zuerst Kontakt mit Ihrem unabhängigen Verkehrsanwalt auf.

 

Über den Autor

Rechtsanwalt Boris Narewski ist seit 2007 mit eigener Kanzlei in Berlin vertreten. Sein klarer Schwerpunkt ist das Reiserecht. Zu seinen Mandanten zählen sowohl Privat- und Geschäftsreisende als auch Reiseveranstalter. Er ist u.a. Mitglied im DAV (Deutscher Anwaltverein), im Berliner Anwaltverein sowie in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht e.V. (DGfR).