EuGH: Ausgleichszahlung auch bei unerwarteten technischen Problemen

Bei einer Flugverspätung oder Annullierung stehen den Passagieren in vielen Fällen Ausgleichszahlungen zu – es sei denn, die Airline kann sich auf „außergewöhnliche Umstände“ berufen. War ein technisches Problem die Ursache, berufen sich die Fluggesellschaften gerne auf diese außergewöhnlichen Umstände und verweigern eine Zahlung. Dass normale technische Probleme aber in der Regel keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen, hat der EuGH (Europäische Gerichtshof) schon mehrfach klargestellt. Nur im Einzelfall werden technische Probleme als Entlastungsgrund eingestuft. Dass auch unerwartet auftretende technische Probleme die Fluggesellschaften nicht entlasten, hat der EuGH nun mit Urteil vom 17.09.2015 (Az.: C-257/14) betont.

Im konkreten Fall kam es zu einer Flugverspätung von rund 29 Stunden, da die Kraftstoffpumpe und die hydromechanische Einheit des betroffenen Flugzeuges defekt waren und nachgeliefert werden mussten. Die Fluggesellschaft berief sich darauf, dass bei den betroffenen Teilen die durchschnittliche Lebensdauer noch nicht überschritten gewesen sei und es keinen Hinweis auf mögliche Mängel gegeben habe. Das ließ der EuGH jedoch nicht als entlastende außergewöhnliche Umstände gelten. Der EuGH wertete die Ausfälle als zwar unerwartetes technisches Problem, dieses sei aber untrennbar mit dem komplexen System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden und daher Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit einer Airline. Es sei die beherrschbare Aufgabe einer Fluggesellschaft, entsprechenden Defekten durch geeignete Maßnahmen vorzubeugen.

Das Urteil setzt die Messlatte für technische Probleme als entlastende außergewöhnliche Umstände für die Fluggesellschaften nochmals höher und stärkt damit die Rechte der Passagiere, die sich immer wieder mit dem pauschalen Verweis auf vermeintlich entlastende technische Probleme durch die Airlines konfrontiert sehen.

Über den Autor

Rechtsanwalt Boris Narewski ist seit 2007 mit eigener Kanzlei in Berlin vertreten. Sein klarer Schwerpunkt ist das Reiserecht. Zu seinen Mandanten zählen sowohl Privat- und Geschäftsreisende als auch Reiseveranstalter. Er ist u.a. Mitglied im DAV (Deutscher Anwaltverein), im Berliner Anwaltverein sowie in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht e.V. (DGfR).