Air Berlin ist insolvent, Ryanair storniert massenweise Flüge

Air Berlin ist insolvent, Ryanair storniert massenweise Flüge – Ihre Rechte!

Bewegte Zeiten für Passagiere von Air Berlin und Ryanair: Nachdem Air Berlin Insolvenz angemeldet hat, fragen sich viele Reisende, was aus ihren gebuchten Flügen wird oder ob sie Schadensersatzforderungen geltend machen können. Auch die Kunden von Ryanair dürften sich ähnliche Fragen stellen. Am Freitag gab Ryanair bekannt, dass ab sofort 40 bis 50 Flüge pro Tag (!) storniert werden sollen. Den betroffenen Reisenden wird diese Flugannullierung offenbar nur sehr kurzfristig mitgeteilt. Bei so kurzfristigen Annullierungen der Flüge stehen den betroffenen Passagieren nach der EG-VO 261/2004 Ausgleichsansprüche von 250,- bis 600,- Euro pro Person zu. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Ryanair selbst Fehler bei der Urlaubsplanung zugegeben hat, dürfte Ryanair sich auch kaum der Haftung entziehen können. Da Ryanair (anders als Air Berlin) solvent ist, lohnt es sich, diese Ansprüche als betroffener Passagier auch geltend zu machen.

Und wie sieht es nun bei Air Berlin aus? Hier ist die Situation deutlich unübersichtlicher. Auch hier gilt natürlich die Fluggastrechte-VO, d.h. wer eine Flugverspätung oder eine Flugannullierung zu beklagen hat oder wegen Überbuchung etc. nicht befördert wurde, hat grundsätzlich einen entsprechenden Ausgleichsanspruch nach der EG-VO 261/2004 (also einen Anspruch auf 250,- bis 600,- Euro pro Person und Flug). Ähnliches gilt bei Gepäckverlust, Gepäckverspätung oder Gepäckbeschädigung im Hinblick auf das Montrealer Übereinkommen, hier kommen Schadensersatzansprüche bis zu 1.400,- Euro pro Person in Betracht. Da sich Air Berlin nicht nur wirtschaftlich in Turbulenzen befindet, sondern auch der eher notdürftig aufrecht erhaltene Flugbetrieb der Airline mit zahlreichen Verspätungen und Flugausfällen immer wieder für Schlagzeilen sorgte (allein letzte Woche Dienstag und Mittwoch sind über 200 Flüge ausgefallen), dürften zahlreiche Kunden der Fluglinie derzeit vor der Frage stehen, ob es sich lohnt, solche Ansprüche trotz der Insolvenz von Air Berlin auch geltend zu machen. Hier kommt es darauf an, ob die Ansprüche vor der Anmeldung der Insolvenz entstanden sind oder danach. Für Ansprüche vor der Insolvenzanmeldung (also für Flüge vor dem 15.08.2017) schließt Air Berlin unter Verweis auf die Insolvenzanmeldung derzeit jegliche Zahlung aus. Soweit hier ein klassisches Insolvenzverfahren durchgeführt wird, dürften sich entsprechende Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche im Rahmen der Quote wenn überhaupt nur zu  einem geringen Teil durchsetzen lassen, da es sich um keine vorrangigen Forderungen im Sinne des Insolvenzrechts handelt. Im Moment ist aber noch offen, wie es mit Air Berlin wirtschaftlich weitergeht – so ist zwar die Insolvenz angemeldet, aber noch kein offizielles Insolvenzverfahren eröffnet worden. Auch eine Übernahme und Komplettsanierung von Air Berlin ist noch nicht völlig vom Tisch. Im Einzelfall kann es daher durchaus sinnvoll sein, entsprechende Forderungen doch noch bei Air Berlin anzumelden.

Für Ansprüche nach Insolvenzantragstellung (also für Flüge ab dem 15.08.2017) gilt etwas anderes: Hier stellt Air Berlin weiterhin in Aussicht, diese Ansprüche zu prüfen – eine Zahlung wird also nicht unter Verweis auf die Insolvenzanmeldung ausgeschlossen!

Wer seine Flüge im Rahmen einer Pauschalreise gebucht hat, hat als Vertragspartner weiterhin seinen Reiseveranstalter. Dieser muss für die ordnungsgemäße Durchführung der Reise sorgen, also im Zweifel eine andere Fluggesellschaft beauftragen. Gab es auf der Pauschalreise Flugverspätungen, Flugausfälle oder Probleme mit der Gepäckbeförderungen, können zwar nur im Einzelfall Ausgleichsansprüche nach der EG-VO 261/2004 gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht werden. Aber es sind Schadensersatzansprüche wegen Gepäckverlust, Gepäckverspätung oder Gepäckbeschädigung sowie eine Reisepreisminderung gegenüber dem Reiseveranstalter (und damit unabhängig von der Insolvenzproblematik bei Air Berlin) möglich.

 

Über den Autor

Rechtsanwalt Boris Narewski ist seit 2007 mit eigener Kanzlei in Berlin vertreten. Sein klarer Schwerpunkt ist das Reiserecht. Zu seinen Mandanten zählen sowohl Privat- und Geschäftsreisende als auch Reiseveranstalter. Er ist u.a. Mitglied im DAV (Deutscher Anwaltverein), im Berliner Anwaltverein sowie in der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht e.V. (DGfR).